Ackerwildkräuter
Die Ackerwildkräuter war eines "seiner Projekte". Seit über 10 Jahren beschäftigte sich Reinhard Urner neben vielen weiteren Themen vor allem um die Akzeptanz und Förderung der Ackerwildkräuter in der Landwirtschaft. Vor einigen Jahrzehnten noch als Unkraut angesehen sind doch so einige Ackerwildkräuter im Landkreis Göttingen, bzw. Land Niedersachsen rar geworden, mehrere sogar über Jahre und Jahrzehnte verschollen. Einige Pflanzen konnte Reinhard wieder entdecken, diese werden nun über Förderprogramme wie die Agrarumweltmaßnahmen erhalten.
Reinhard trat aktiv für den Schutz der Ackerwildkräuter ein. Neben der Öffentlichkeitsarbeit, wie etliche Exkursionen, Vorträgen und Interviews befasste er sich seit 2008 mit der Entwicklung von Schutzmaßnahmen für die Ackerwildkräuter im Bereich der Stadt und des Landkreises Göttingen. Dies wurde umso dringlicher, da sich am Ackerrandstreifenprogramm des Landes Niedersachsen kein Landwirt mehr beteiligte. Bei der Erfassung der Ackerwildkräuter glückten ihm einige spektakuläre Neu- und Wiederfunde. So konnten bei Herberhausen die als verschollen geltenden Arten Kleinfrüchtiges Klettenlabkraut (Galium spurium ssp. spurium), das zuletzt etwa 1870 in Niedersachsen nachgewiesen wurde und das Dreihörnige Labkraut (Galium tricornutum), das seit etwa 1990 als verschollen galt, gefunden werden. Außerdem gelang bei Dransfeld der Nachweis eines weiteren Standorts des Rispen-Lieschgrases (Phleum paniculatum). Damit hat sich der Bestand von ursprünglich einem auf nunmehr drei Standorte in Niedersachsen erhöht, die alle im Landkreis Göttingen liegen.
2009 zerschlug sich aufgrund des unerwarteten Wegfalls der Förderung über LEADER der Kauf einiger Äcker zum Ackerwildkrautschutz. Somit wurden verstärkt Äcker mit gefährdeten Arten erfasst. Grund dafür war die Erweiterung der Förderkulisse des Niedersächsischen Ackerrandstreifenprogrammes. Es konnten mehr als 300 ha zusätzlich als förderfähig gemeldet werden. Dennoch hatte sich die Situation der Ackerwildkräuter in Südniedersachsen dramatisch verschlechtert, weil viele Arten nur noch in ganz geringen Beständen in schwer zugänglichen Ecken überleben konnten.
Die weitere Intensivierung der Landbewirtschaftung bei gleichzeitig immer geringerem Interesse an der Teilnahme am Ackerrandstreifenprogramm des Landes Niedersachsen ließ die Aussichten für den Schutz der Ackerbegleitflora düster aussehen. Seit 2011 werden Flächen, die für den Ackerwildkrautschutz von besonderer Bedeutung sind, durch den Landkreis Göttingen und den Landschaftspflegeverband vertraglich gefördert. Dabei wird der Verzicht auf Herbizide und Düngung finanziell ausgeglichen. Dadurch konnten 15 Flächen unter Vertrag genommen werden. Besonders erfreulich war der Wiederfund des Einjährigen Ziest (Stachys annua) in einem Randstreifen bei Klein Lengden. Der Bestand ist mit sieben Exemplaren noch gering.
2012 konnte die Zahl der Flächen auf 22 aufgestockt werden. Unter Anderem ist eine Fläche am Einzelberg dazugekommen. Dort wuchsen über hundert Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis) und ebenso etliche hundert Ackerrittersporn-Pflanzen (Consolida regalis).
2013 sollte ein Acker bei Herberhausen mit dem Kleinfrüchtigen Klettenlabkraut (Galium spurium ssp. spurium), das in Niedersachsen über 150 Jahre verschollen war, nach dem Plan der Straßenbaubehörde als Ausgleich für den Ausbau der B 27 in Extensivgrünland umgewandelt werden. Dies konnte, auch mit Hilfe der Stadt, verhindert werden. Der Acker wird nun ackerwildkrautgerecht, also mit Sommer- und Winterfrucht im Wechsel, bewirtschaftet.
Im Jahr 2014 konnte zusammen mit dem Landschaftspflegeverband, der UNB und der BSG Ackerflächen von ca. 10 ha ausgesucht und unter Vertrag genommen werden.
In der aktuellen Förderphase der Agrarumweltmaßnahmen sind die Vergütungen für die Maßnahme "BS 3 mehrjährige Schonstreifen für Ackerwildkräuter" stark angehoben worden. Außerdem ist die Förderung modifiziert worden, so dass nun eine Variante mit Ernte und eine Variante ohne Ernte zur Auswahl stehen. Es können Schonstreifen von 6 bis 30 m Breite angelegt werden. Für die Variante mit Ernte werden 750 Euro vergütet. Bei Verzicht auf eine Ernte erhöht sich die Vergütung um 545 Euro. Wenn zusätzlich eine besondere naturschutzfachliche Bedeutung vorliegt, was bei den Flächen im Landkreis Göttingen fast immer der Fall ist, können auch ganze Flächen gefördert werden. Hierzu bedarf es einer Empfehlung durch die UNB bzw. das NLWKN. Dann erhöht sich die Förderung um 100 Euro. Im Landkreis Göttingen sind bislang schon über 50 ha für dieses Programm gemeldet worden. Damit sind weitgehend alle gefährdeten Ackerwildkrautarten, die auf den Kalkäckern im Landkreis Göttingen vorkommen, in mindestens einem der Randstreifen gesichert.
Dass der Schutz von Ackerwildkräutern ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt ist, zeigt der im Jahre 2014 Wiederfund des Flammen-Adonisröschens (Adonis flammea) mit insgesamt 14 Exemplaren. Das Flammen-Adonisröschen ist deutschlandweit vom Aussterben bedroht (RL 1). Im Raum Göttingen und damit aus ganz Niedersachsen verschwand es in den 1960er Jahren (FUCHS 1964). Nun ist es im Landkreis in einem vor drei Jahren unter Vertrag genommenen Acker wieder nachgewiesen.
Lesen Sie hierzu den Artikel aus dem Göttinger Tageblatt vom 1. August 2013 und hören Sie den Beitrag vom Stadtradio Göttingen vom 15. Juli 2013 zum Thema Ackerwildkräuter.
Eine Bilderaustellung der BSG im Göttinger Umwelt- und Naturschutzzentrum Göttingen (GUNZ) und im Landkreishaus
IN MEMORIAM
REINHARD URNER
© 2016 Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen