Waldränder
Waldränder nutzen - Vielfalt erhalten - Energie gewinnen
In Niedersachsen gibt es etwa 5600 km Waldaußenränder (18 laufende Meter/ha), die zum allergrößten Teil nicht optimal aufgebaut sind. Nach dem Niedersächsischen Programm zur langfristigen ökologischen Waldentwicklung (LÖWE-Programm) sollen Waldränder in "angemessener Tiefe aus heimischen Kraut-, Strauch- und Baumarten abwechslungsreich zur Feldflur stufig aufgebaut werden". Angesichts des Bedarfes an Energieholz bietet sich hier eine Möglichkeit gleichzeitig auch dem Naturschutz zu dienen, indem die Waldränder mittelwaldartig in einem Turnus von 20 bis 30 Jahren genutzt werden, wobei Habitatbäume, starke Bäume sowie seltene Baumarten erhalten bleiben. In der Zwischenzeit können sich die Waldränder selbständig entwickeln. Im Sommer 2013 wurden nach Anregung durch die BSG in Zusammenarbeit mit den Waldbesitzern, der Energieagentur Göttingen und der forstlichen Fakultät (Forschungsverbund BEST Bio-energie stärken) 2 Flächen bei Waake ausgesucht,auf denen probehalber eine Waldrandnutzung durchgeführt werden sollte: Zum einen ein Wiesental südöstlich von Waake, das aufgrund zunehmender Einengung durch den Wald zuzuwachsen drohte, sowie ein Waldrand am Kalkmagerrasen südwestlich von Waake, der den Magerrasen stark bedrängt. In den letzten Februartagen wurden die Fällarbeiten durchgeführt. Ende März werden die gefällten Bäume zu Industrieholz und Hackschnitzeln aufgearbeitet. Die UNI Göttingen wird die anfallenden Mengen ermitteln und die Wirtschaftlichkeit überprüfen. Es ist jedoch jetzt schon klar, dass diese Maßnahme ohne zusätzliche Subvention einen Gewinn abwerfen wird und einen klaren Vorteil bietet gegenüber den subventionierten Kurzumtriebsplantagen (KUP), die Ackerflächen auf 20 Jahre der Nutzung zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion entziehen.
Lesen Sie hierzu auch den Zeitungsartikel vom Göttinger Tageblatt (27.02.2014) sowie die Broschüre Bioenergie in der Region Göttingen von der Energieagentur Region Göttingen.
© 2014 Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen
Waldränder nutzen - Vielfalt erhalten - Energie gewinnen
Der Wandel in der Landwirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg hat auf den meisten Äckern, Wiesen und Weiden durch Intensivierung und Industrialisierung zu erheblichen Ertragssteigerungen, aber auch zu einem deutlichen Verlust in der Artenvielfalt geführt. Auf der anderen Seite gibt es auch Flächen, auf denen die landwirtschaftliche Produktion extensiviert oder sogar eingestellt wurde. Grünlandflächen, die an Waldränder oder Hecken angrenzen, verbuschen sehr rasch, wenn sie nicht mehr regelmäßig gemäht und beweidet werden. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich auch im Bereich der Samtgemeinde Radolfshausen in vielen waldnahen Bereichen das Landschaftsbild deutlich verändert - alte Fotos etwa im Museum des Heimatvereins Waake belegen dies. Zu dieser Veränderung beigetragen hat auch die früher übliche Nutzung von Waldrändern und der mit ihnen verbundenen Hecken. Im Abstand von 20-30 Jahren wurden die Gehölze abgeschlagen (auf den Stock gesetzt) und als Brennholz verfeuert. Einzelne Eichen und Buchen ließ man aber auch weiterwachsen, da sie Mast für das Weidevieh oder Bauholz (Eiche) für die Fachwerkhäuser lieferten. Mit der Aufgabe dieser Nutzung kam es zur Ausbreitung von Schattholzarten, insbesondere der Buche. Damit ging auch der Lebensraum für viele licht- und wärmeliebenden Pflanzen- und Tierarten der Waldränder und des davor liegenden Offenlandes verloren.
Um diese Lebensräume für die Artenvielfalt zu erhalten und zugleich das in den Waldrändern und Hecken vorhandene Energiepotential an Holzmasse zu nutzen, soll in zwei Bereichen in der Gemeinde Waake im kommenden Winterhalbjahr beispielhaft die Rückverlegung und Pflege von Waldrändern erprobt werden. Die Fläche "Burgbreite" liegt am Ostrand des Göttinger Waldes und ist Teil des europaweiten Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebietssystems Natura 2000. Hier ist in den letzten Jahrzehnten der Waldrand zunehmend nach Osten ins Offenland gewandert und hat dabei den angrenzenden Halbtrockenrasen erobert, der früher intensiv durch Schafe beweidet wurde. Gleichzeitig wird dieser Rasen, der einen hohen Anteil an gefährdeten Pflanzen- und Tierarten aufweist (darunter auch viele Orchideen), von einer Feldhecke zunehmend beschattet. An der "Burgbreite" soll der Waldrand auf einer Breite von 10-20 m zurückgenommen werden, die Hecke soll auf den Stock gesetzt werden. Im "Maitschenbruch" hat sich von einem ehemaligen Waldrandweg ein 10-30 m breiter Hecken- und Waldrandstreifen in das davorliegende Wirtschaftsgrünland ausgedehnt. Auch hier soll der Waldrand wieder auf seine ursprüngliche Grenze zurückgenommen werden, um das typische Landschaftsbild eines Wiesentales wiederherzustellen, was hier weitgehend verloren gegangen ist. Gleichzeitig bietet sich für den Landwirt die Möglichkeit, die ursprüngliche Grünlandfläche wieder voll zu nutzen.
In beiden Flächen stehen Bäume, die als Industrielaubholz stofflich verwertet werden können. Große Holzmengen liefern aber auch Baumkronen, Hecken und Gebüsche, aus denen Energieholz in Form von Hackschnitzeln produziert werden soll. Markante Altbäume oder auch seltenere, lichtbedürftige Baumarten wie Elsbeere oder Feld-Ahorn bleiben stehen. Die Maßnahme wird von den Waldeigentümern und angrenzenden Landwirten ausdrücklich begrüßt. Unterstützung findet die Maßnahme auch durch die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Göttingen und Naturschutzvertreter. Koordiniert und unterstützt wird das Vorhaben durch die Energieagentur Region Göttingen e.V., eine wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch die Universität Göttingen. Verschiedene Arbeitsgruppen der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie wollen u.a. klären, welche Mengen und welche Qualitäten für die stoffliche und energetische Nutzung des nachwachsenden Rohstoffs Holz anfallen oder wie sich die Maßnahmen auf die biologische Vielfalt und gefährdete Pflanzen und Tiere auswirken. Damit soll auch gleichzeitig ein Beitrag geliefert werden zur aktuell größten Herausforderung der Forstwirtschaft: das Erreichen von wirtschaftlichen und klimapolitischen Zielen (Holzproduktion, Kohlenstoffbindung) bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Biodiversitätszielen. Dies ist nur bei einem konstruktiven Mit- und Nebeneinander von Waldnutzung und Naturschutz möglich. Das Projekt in Waake möchte hierzu einen kleinen Beitrag liefern, der bei erfolgreichem Verlauf auch auf andere Waldränder und Hecken übertragen werden könnte.
© 2013 Wolfgang Schmidt, Waake